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Das vergessene Volk - Slawen im Oderland

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Dieses Projekt wurde gefördert durch die
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung.


Skulptur

Bei der Diskussion um die Authentizität mittelalterlicher Gebräuche in unserer Region sind erschreckende Lücken im Geschichtsbewusstsein erkennbar geworden. In den deutschen Geschichtsbüchern findet man zum Hochmittelalter vorrangig Beschreibungen der Verhältnisse westlich der Elbe. Der Überlebenskampf der Slawen zwischen Elbe und Oder vor 1000 Jahren wird nahezu vollständig ausgeblendet. Durch den Nationalsozialismus und in der Folge durch einen stalinistisch geprägten Panslawismus wurde die Geschichte dieses Volkes von der Geschichte der Deutschen getrennt.

In Folge der DDR-spezifischen Aufarbeitung des Nationalsozialismus ist eine regionale und nationale Identifizierung bei der Elterngeneration verdrängt worden. Im Zeitalter der Globalisierung und erhöhter Migration fehlt der Region ein verwurzelndes Heimatgefühl. Ein Heimatgefühl, wie es z.B. in Frankreich, England oder Polen zum normalen nationalen Selbstverständnis gehört, ist hierzulande geradezu verpönt und wird vorrangig dem politischen Extremismus überlassen.

Der Verein beabsichtigt mit dem Projekt, bei Kindern und Jugendlichen durch die Vermittlung der Regionalgeschichte zur Entwicklung einer humanistisch geprägten Heimatverbundenheit beizutragen. Um diese Zielgruppe zu interessieren, sollen vorrangig Kinder und Jugendliche selbst am Projekt mitarbeiten und mit der ihnen eigenen Umgangssprache den Stoff bearbeiten.



Hallo Vergangenheit

An der Schwelle vom zweiten zum dritten Jahrtausend streben die Länder und Völker Europas danach, aus ihrer nationalen Vergangenheit zu neuer kontinentaler Einheit zu finden. Europa wächst zusammen. Eine neue europäische Identität ist im Entstehen - ohne die nationalen Identitäten zu verdrängen. In vielen Regionen Europas sind Bewegungen zur Erinnerung an Vergangenes zu beobachten. Das Wissen um die Vergänglichkeit alles Zeitlichen führt dazu, Bleibendes zu schaffen und in den Vordergrund zu rücken.

Selbstverwirklichung ohne "beengende" Bindungen das eigentliche Ziel allen Menschseins darstelle, ist der traditionelle Heimatbegriff ausgehöhlt worden. Geschichte in Unterricht und Medien ist vorwiegend auf die Bewältigung der nationalsozialistischen Epoche und der Nachkriegsgeschichte fixiert. Zweifelsohne sind Kenntnisse über Fehlwege unserer Nationalgeschichte und deren Ursachen unverzichtbar. Aber die Auseinandersetzung mit fünfzig Jahren deutscher Geschichte darf die restlichen weit über tausend Jahre nicht verdrängen. Zum Geschichtsbewusstsein gehört ebenso das Große, das Erhabene, das Erfolgreiche, das Fortsetzungswürdige unserer Vergangenheit. Vom Freiheitsdrang der alten Germanen über Reformation und Bauernkriege, Humanismus und Befreiungskriege, Einheitsbewegung und Stufen zum Rechtsstaat gibt es jede Menge Vernachlässigtes in unserem Geschichtsbild. Vom immensen Beitrag der Deutschen zum Welterbe in Musik, Literatur, Kunst, Wissenschaft und Technik ganz zu schweigen.

Wie kaum je zuvor sind deshalb heute die Mediävisten gefragt, um den modernen Menschen aufzuzeigen, wie es früher war, wie unsere Vorfahren vor 1000 Jahren dem Millennium, dem Jahrtausendwechsel, entgegengesehen und darauf reagiert haben.

Vor einem Jahrtausend formierten sich in der Mitte Europas jene Länder und Völker, die heute zur neuen Einheit aufbrechen. Die Region zwischen Spree und Oder sah vor 1000 Jahren anders aus als heute. Sie war ausgesprochen dünn besiedelt, enorme Wald- und Sumpflandflächen waren vorherrschend. Hat diese Region einen erwähnenswerten Anteil an der Europäischen Geschichte? Hat ein kleines Dorf in der Mark Brandenburg eine erzählenswerte Geschichte?

Eggersdorf war viele Hundert Jahre ein bedeutungsloser kleiner Weiler zwischen den Klosterstädten Altlandsberg und Strausberg. Und doch war das Dorf eingebunden in eine wechselvolle Geschichte, in der die Edelleute im Kampf um Macht und Besitz immer wieder alles verheerten, was die Bauern unter unsäglichen Mühen aufgebaut hatten, um das Überleben zu sichern.

Das Sühnekreuz im alten Eggersdorf steht am Zaun eines der ältesten Häuser des Dorfes, umwachsen von Efeu dämmert es durch die Zeiten. Man erzählt sich eine wilde Geschichte ...



Das Sühnekreuz in Eggersdorf: Junkermord 1512 ?

Nacherzählung anlässlich des 5. Dorffestes 2003 zur 680 - Jahr - Feier von Eggersdorf

Das 16. Jahrhundert beginnt. Immer noch machen die Raubritter die Heerstraßen unsicher. Und unsere Bauern haben noch oft gezittert und gebetet:

Vor Köckeritz und Lüderitz, vor Krachten und vor Itzenplitz - Bewahre uns, Herr Gott.

Man sieht den alten Gutsherrn Mathäus Trebus in größter Geldverlegenheit. Das Treiben seines hitzköpfigen Sohnes Lorenz bringt ihn in arge Bedrängnis. Nur durch Verkauf von vielen Hufen guten Ackerlandes an seinen Widersacher Ritter Röbel kann er bisher den Ruin verhindern. Und Röbel ist ein harter Mensch, in seinem Keller lag so mancher arme Bauer in Ketten. Den Junker Lorenz hat er zur Schande der Familie als Zechpreller an den Pranger stellen lassen. Und so sitzt der Groll der Trebuse gegen den alten Röbel tief.

Der Streit zwischen den Familien soll 1512 auf dem Dorfanger ein böses Ende nehmen. Der alte Röbel sitzt im Dorfkrug bei gutem Bier, als der leicht reizbare Junker Lorenz eintritt. Noch in der offenen Tür grollt der Junker:

Nicht einmal hier hat man Ruhe vor dem Blutsauger.

Der alte Röbel bleibt zunächst ruhig. Und so zechen sie eine Weile, ohne dass einer dem anderen in die Augen blickt.

Nach einiger Zeit sticht den jungen Trebus wieder der Hafer, und er packt die vorbeieilende Magd, um ihr unzüchtig und grob unter den Rock zu greifen. Da dem Mädchen das offenbar überhaupt nicht gefällt, wehrt es sich - aber vergebens. Trebus wird immer aufdringlicher und zerrt sie unter lautem Getöse auf die Bank.

Da erhebt der alte Röbel seine Stimme:

Willst wieder an den Pranger? Verhurst deines Vaters letzten Hufen Land, du Nichtsnutz.

Nun kann der junge Hitzkopf sich nicht mehr halten. Er reißt sein Schwert aus der Scheide und fordert den Alten:

Komm, alter Feigling, wo ist deine Ritterehre.

Bei seiner Ehre darf man auch den Alten nicht packen. Seine Wut kennt nun keine Grenzen mehr. Ein Zweikampf ohne des Gesetzes Regeln beginnt in der niedrigen Gaststube. Sie stechen aufeinander ein, bis die Spitzen der Schwerter in der Stubendecke stecken bleiben.

Nun stürmen Sie hinaus vor das Gasthaus und schlagen wild aufeinander ein. Doch der Fechtkunst des jungen Ritters ist der Alte nicht gewachsen. Zu Tode getroffen bricht er mit einem Wehgeschrei zusammen und verhaucht sein Leben.

Hart ist die Strafe der Landesfürsten. Um seinen Sohn zu retten, muss der Gutsherr zur Sühne der Tat viele harte Strafen hinnehmen, die ihn völlig ruinieren. So muss er einen Vergleich mit der Witwe des Getöteten schließen, um diese gebührend materiell abzusichern. Schließlich muss der alte Trebus dem Landesherrn auch den 200jährigen Stolz der Familie übergeben, das Patronat über den St. Erasmusaltar in der Kirche St. Marien zu Strausberg.

Und er muss - so erzählt man sich noch heute - ein Kreuz an der Stelle der Mordtat errichten. Ein Kreuz zur Sühne dieser Tat.

Die Chronisten bezweifeln einen Zusammenhang des Kreuzes mit dieser Tat, der Stein ist wesentlich älter. Der Aberglaube hinterließ aber noch eine weitere Spur: Unheil, Krankheit, Fluch und Tod sollen denjenigen ereilen, der das Kreuz von seinem Platze fortnimmt. Das vermutliche Alter und dieser Fluch lassen Parallelen mit anderen ähnlichen steinernen Zeugen zu:

In Ellingen in der Uckermark steht ein steinernes Kreuz, welches als Zeugnis christlicher Frühzeit bekannt ist. Eingemeißelte Kreise, vermutlich Sonnenräder, lassen auf Heidnische Ursprünge schließen. Auch aus Friedersdorf bei Fürstenwalde und Arenzhain westlich von Finsterwalde sind derartige Kreuze bekannt.

Im Naturglauben der vorchristlichen Zeit waren neben den alten Eichen der Urwälder insbesondere die von der Eiszeit herangetragenen riesigen Steine von besonderer Bedeutung. In ihnen vermuteten sie die besondere Kraft ihrer Götter. Steinkreise, die vielleicht schon vor Jahrtausenden aufgerichtet wurden, galten als besonders heilig. So soll in Wandlitz einst ein Steinkreis als Heiligtum der Göttin Wanda gestanden haben. Die Steine wurden erst vor etwa 100 Jahren zu Straßenschotter gebrochen. Auch in Eggersdorf existieren heute im Verborgenen große Findlinge, deren religiöse Bedeutung nicht dokumentiert ist. Beim Neubau der Kirche fand man diese Steine im Fundament der alten, abgebrannten Kirche - und ließ sie dort.

War es ein besonders bösartiger Akt der christlichen Missionare, heidnische Kultstätten mit Kirchen zu überbauen und vielleicht heilige Steine zu Kreuzen zu verarbeiten? Oder war es der Versuch, die Übernahme der Religion zu vereinfachen?

Mit dieser Frage nähern wir uns einer interessanten, äußerst umstrittenen Problematik. Wer lebte eigentlich vor 1000 Jahren in unserer Region zwischen Spree und Oder? Heiden - Steine - Kreuze: hier haben wir Relikte aus der Zeit der Christianisierung des Volkes, welches man heute gemeinhin als Slawen bezeichnet.

In den deutschen Geschichtsbüchern findet man zum Hochmittelalter vorrangig Beschreibungen der Verhältnisse westlich der Elbe. Der Überlebenskampf der Menschen zwischen Elbe und Oder vor 1000 Jahren wird nahezu vollständig ausgeblendet. Durch den Nationalsozialismus und in der Folge durch einen stalinistisch geprägten Panslawismus wurde die Geschichte dieses Volkes von der Geschichte Deutschlands getrennt. Eine regionale und nationale Identifizierung ist bei der Elterngeneration verdrängt worden. Ein Heimatgefühl, wie es z.B. in Frankreich, England oder Polen zum normalen nationalen Selbstverständnis gehört, ist hierzulande geradezu verpönt und wird vorrangig dem politischen Extremismus überlassen.

So begeben wir uns auf die Suche nach dem vergessenen Volk.



Mitteleuropa vor 1000 Jahren

Bis in das 6. Jahrhundert hinein bewohnten Semnonen das unwirtliche Gebiet. Im Sog der durch die Hunnenstürme ausgelösten Völkerwanderung war das Gebiet zwischen Spree und Oder Jahrhunderte lang Durchzugsgebiet wandernder Germanenvölker: Goten, Burgunder und schließlich Wandalen hatten hier ihre Heimstatt.

Nach der seit etwa 300 Jahren bestehenden Geschichtsschreibung verließen alle diese Völker das Land wieder, und in die verlassenen Siedlungsgebiete dringen Slawen - von den Germanen "Wenden" genannt - aus dem südlichen und östlichen Europa ein. In der Chronik von Petershagen/ Eggersdorf wird durch Alexander Giertz wie bei allen Chronisten dieser Zeit folgender historischer Ablauf beschrieben: Die zwischen Spree und Oder ansässigen Semnonen sind mit der Völkerwanderung abgezogen. Die freigewordenen Siedlungsplätze wurden von einwandernden Slawen besetzt.

Nun wird - fast nebenbei - mitgeteilt, dass alte Orts- und Flurnahmen übernommen wurden. Es ist aber eher unwahrscheinlich, dass die abziehenden Semnonen Wegweiser, Orts- der Straßenschilder hinterlassen hätten, Schriftgut ist ebenso nicht bekannt. Aber woher kamen nun Namen wie Senze, Bötzow, Buckow, Hohenfinow, Ihlow, Gusow, Seelow, Wandlitz ?

Weder in den Beschreibungen Cäsars oder in Tacitus "Germania" noch in den Chroniken der Völkerwanderung werden "Slawen" erwähnt. So große Volksmassen bewegen sich nicht, ohne jede Spur in der Geschichte zu hinterlassen. Die Züge der Kimbern und Teutonen sind aus dem ersten Jahrhundert bekannt und beschrieben, Goten, Hunnen und Wandalen hinterließen ihre Zeugnisse - warum nicht die "Slawen"? Bei der entscheidenden Schlacht zwischen Hunnen und Römern auf den Katalaunischen Feldern waren nahezu alle bekannten Völker beteiligt, da schlugen sich Ostgoten mit Westgoten, Thüringer und Sachsen - aber keine "Slawen", keine Wenden.

Wann und woher kamen also diese "Slawen"? Man könnte folgende verwirrende Antwort geben: Es gab sie nie, aber sie waren immer schon da!

Die namhaften Chronisten wie Adam von Bremen, Heimholt von Bosau, Widukind von Corvey oder Thietmar von Merseburg schrieben ihre Werke in der von den Christen übernommenen Schrift der alten Römer, in Latein. Zu dieser Zeit gab es weder eine deutsche Sprache noch eine deutsche Schrift. In diesen Chroniken bezeichnet man die Stämme, welche die Germanen später "Wenden" nennen, als Sklavoni, Sklabeni, Sklavi ... als Sclaven.

In der korrekten Übersetzung sind die Sclaven sture Heiden, ihrer Scholle und ihren Naturgötzen verhaftet, nicht christianisierbare Ketzer, wie sie der missionierende Mönch Bonifatius beschreibt. Das waren Menschen, die gefangen und verkauft werden durften, Ware also! Karl der Große hatte die "Versklavung" von Christen verboten. Aber diese Sclaven waren keine separate, irgendwoher eingewanderte Volksgruppe. Diese nichtchristianisierbaren Heiden waren immer schon da! Im Wanderungsprozess blieben immer "Reste" der Stammbevölkerung: Goten, Burgunder und Wandalen. Und das waren nicht etwa nur die Schwachen, Alten oder Kranken, sondern wohl eher die Erstgeborenen, die am meisten Bodenständigen. Der Bauer verlässt seine Scholle nicht. Noch heute wird den Märkern neben Sturheit auch Bodenständigkeit nachgesagt.

Und so schreiben die Chronisten: Sclavi sunt wandali! Die Sclaven sind Wandalen. Die Wenden sind somit Germanen, nicht christianisiert, ausgestoßen und bekämpft - aber eben keine Verwandten einer "slawischen" Volksgruppe.

Nun drängt sich die Frage auf, wer da die Geschichte verfälscht hat. Immerhin geben auch unsere Chronisten wie Giertz oder Fontane die Geschichte von der Einwanderung der "Slawen" brav wieder. Wer hat das "c" eliminiert? Manche behaupten, Johann Gottfried Herder hätte dies bei seiner Beschreibung der Völker und Ethnien erstmals getan.

Andere postulieren einen jahrhundertelangen gezielten Prozess der Manifestierung einer slawischen Volksgruppe, verbreitet durch glagolithische Mönche und ausgehend vom ewigen Kampf der orthodoxen griechischen und russischen Kirche gegen die römisch-katholische Kirche um die Vorherrschaft des "wahren" Glaubens. In dieser Diskussion steckt aber zuviel völkisches Geschnarre, hier werden alte Fronten neu aufgebaut, Schuldfragen zu den großen Kriegen neu gestellt und nicht zuletzt die heutigen Grenzen in Frage gestellt. Dieser Missbrauch birgt genug Zündstoff für neuen Hass - das ist der neuen europäischen Identität absolut nicht förderlich.



Die Wenden und der Liutizen- Bund

Sclavi - die Wandali-Wenden - unterschieden sich lediglich durch ihren Glauben von den benachbarten und bereits christianisierten Sachsen. Man durfte sie überfallen, ausplündern und verkaufen - nette Nachbarn!

Aber schauen wir uns die Wenden noch etwas genauer an. Das als "Wenden" bezeichnete Volk ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene heidnische Stämme. Zwischen Elbe und Oder siedelten die Obodriten und die Redarier im heutigen Mecklenburg, die Ranen an der Ostseeküste, die Ukranen in der Uckermark. Im Brandenburger Raum lebten die Wilzen und im südlichen Bereich die heute noch als einzige existierende wendische Volksgruppe, die Sorben.

Die Wilzen im Berliner Raum waren ihrerseits wieder in kleinere Stämme unterteilt. So siedelten an der Havel die Heveller, ihr kultisches Zentrum war Brennabor, das spätere Brandenburg. An der Spree siedeln die Sprewaren, ihr mächtigster Fürst residiert in einer Burg im späteren Köpenick. In unserem Gebiet zwischen Barnim und Märkisch-Oderland siedelten die Stodoranen.

Unter allen diesen Völkerschaften, Stämmen und Stämmchen, man könnte sie Clans nennen, waren wohl die Ranen und die Redarier die wichtigsten als Hüter der heiligsten Tempelstätten. Den märkischen Wenden fiel dagegen eher die große politische Rolle des kämpferischen Widerstandes gegen die Christianisierung und gegen die Eroberung durch die neuen christlichen Reiche zu.

Auf Grund von Rivalitäten zwischen den Stämmen blieb den Wenden die Herausbildung eines dauerhaften staatlichen Gebildes verwehrt. So sehen sie sich bald von christlichen Herrschern aus dem Westen und von aufstrebenden Reichen im Osten bedrängt.

Unter dem Ansturm der christlichen Eroberer bildeten die Stämme schließlich einen Kampfbund, den man "Liutizenbund" nannte.

Fontane nennt die Liutizen "Vormauer des Slawentums" und den besten, zuverlässigsten und wichtigsten Teil der ganzen Wendengeschichte, durch ihre Streitbarkeit wie durch ihre Ausdauer bei alten Sitten und Gebräuchen die berühmtesten.

Fontane erzählt: "Brandenburg, das wir wohl nicht mit Unrecht als den wichtigsten Punkt dieses märkischen Wendenlandes ansehn, wurde neunmal erobert und wieder verloren, siebenmal durch Sturm, zweimal durch Verrat. Die Kämpfe drehten sich mehr oder weniger um seinen Besitz. Die ersten Berührungen mit der wendischen Welt, mit den Volksstämmen zwischen Elbe und Oder, fanden unter Karl dem Großen statt; sie führten zu nichts Erheblichem."

Karl der Große schmiedete sein Frankenreich in unendlichen Kriegen. Zunächst waren es die Sachsen, die unter Ihrem Fürsten Widukind tapfer gegen die Übermacht kämpften. Nach einem (nicht bewiesenen) Massaker bei Verden an der Aller, wo Karl 4000 sächsische Edle köpfen ließ, verlor Widukind den Glauben an seine Götter und ließ sich zum Schutze seines Volkes zum Christen taufen. Karl zog 780 mit einem großem Heer bis zur Elbe und verhandelte mit den heidnischen Wenden. Er gründete zum Schutz gegen die "Wenden" die Marken als Vorposten des Gausystems des Reiches zur kriegerischen Unterwerfung und Bekehrung. Militärische Burgen entstanden, Markgrafen wurden eingesetzt, Stämme wurden tributpflichtig. Die erste Mark (Salzwedel, Tangermünde) heißt heute noch Altmark. Einen ersten Vorstoß bis Brennaburg unternahm Karl bereits 789, ohne jedoch die Wenden zum christlichen Glauben zwingen zu könne.



Der Liutizenaufstand 983

Nach Karls Tod und der Reichsspaltung brachen zunächst wieder zunächst wieder wüste Zeiten an, niemand interessierte sich für die in ihren Wäldern und Sümpfen lebenden Wenden. Bis es schließlich die ehemals besiegten und nun christianisierten Sachsen waren, die die europäische Geschichte fortschrieben. Nachdem der Druck der einfallenden Ungarn die deutschen Fürsten zu gemeinsamen Handeln gezwungen und die Feinde auf dem Lechfeld bei Augsburg bezwungen werden konnten, war es der erste Sachsenkaiser, Heinrich der Finkler, der mit seinem Überfall im Jahre 924 erneut eine Unterwerfung der Wenden versuchte und die Brandenburg eroberte. Die Deutschen Könige Heinrich I und sein Sohn Otto I unterwarfen die Slawen und setzen im Jahre 937 den Markgrafen Gero ein. Dieser brutale Markgraf hatte 30 slawischer Fürsten zu einem Bankett nach Gernrode eingeladen, um sie dort zu erschlagen! Es folgten Aufstände der Redarier, Stodoraner und Ukraner - eine wechselvolle Geschichte von gegenseitigen Grausamkeiten begann. Schlachten wurden gewonnen und verloren. Nach verschiedenen Kriegszügen, in denen sich die Wenden in ihrem Territorium partisanenhaft bewegten, war eine Entscheidungsschlacht unausweichlich. Es fehlte wieder einmal nur der berühmte Funke. Der Umsturz begann durch verletztes Ehrgefühl.

Der Obodritenfürst Mistewoi war zum Christentum übergetreten und hatte mit seinen Kriegern bereits an der Seite des Kaisers Ottos in der großen Schlacht bei Basantello in Italien gekämpft. Zu seiner vollständigen Anerkennung ersuchte er um die Hand der Tochter des Markgrafen Herzog Bernhard von der Nordmark an.

Schroff wurde er abgewiesen, "eines deutschen Herzogs Blutsverwandte gehört nicht an die Seite eines wendischen Hundes" Der tödlich beleidigte Mistewoi ließ durch einen Boten mitteilen: "Der Tag kommt, wo die Hunde beißen."

Fontane erzählt: Er ging nun nach Rethra, wo der Haupttempel aller wendischen Stämme stand, und rief - die Obotriten standen selbstverständlich zu ihm - auch alle liutizischen Fürsten zusammen und erzählte ihnen die erlittene Schmach. Dann tat er sein Christentum von sich und bekannte sich vor dem Bilde Radegasts aufs neue zu den alten Göttern. Gleich darauf ließ er dem Sachsengrafen sagen: "Nun hab acht, Mistewoi der Hund kommt, um zu bellen, und wird bellen, dass ganz Sachsenland erschrecken soll." Der Markgraf aber antwortete: "Ich fürchte nicht das Brummen eines Bären, geschweige das Bellen eines Hundes." Am Tanger-Fluss kam es zur Schlacht, und die Sachsen wurden geschlagen. Das hatte Mistewoi der Hund getan. Die Unterwerfung, die 924 begonnen hatte, hatte 983 wieder ein Ende. Der Dom zu Brandenburg wurde zerstört, und auf dem Harlunger Berge erhob sich das Bild des Triglaw. Von dort aus sah es noch wieder 150 Jahre lang in wendische Lande hinein. Die Liutizen waren frei.

Thietmar von Merseburg, ein Chronist dieser Zeit, schreibt dazu in der Sprache der Verlierer: "Die Schandtaten begannen am 29. Juni mit der Ermordung der Besatzung von Havelberg und der Zerstörung des dortigen Bischofsitzes. Völker, die nach Annahme des Christentums unseren Königen und Kaisern zu Tribut und Diensten verpflichtet waren, griffen in einmütigem Entschluss zu den Waffen."

Der Liutizenaufstand von 983 bedeutete das vorläufige Ende des Christentums im märkischen Gebiet. Es wurde immer wieder die Frage gestellt, wie es die ostgermanischen Wenden geschafft haben, sich der Christianisierung weitere 150 Jahre erfolgreich zu widersetzen. Immerhin hatte Karl der Große die westgermanischen Sachsen in nicht einmal 30 Jahren unterworfen.

Vielleicht hatten die Wenden nur das Glück, das die neuen christlichen Reiche zu sehr mit sich selbst beschäftigt waren. Es war Zeit der Festigung christlicher Großreiche: Russland wurde unter Wladimir (Waräger/ Wikinger) christlich, Böhmen unter Wenzel (Premysliden), Polen unter Mietzkow und Boleslaw (Piasten) und Deutschland unter den sächsischen Kaisern. Schnell taten sich aber auch Gegensätze auf. Insbesondere begann ein Streit über die Führungsrolle innerhalb der europäischen christlichen Reiche. Wer sollte das Kaisertum des heiligen römischen Reiches fortführen?

Das Gebiet der Wenden wurde von allen Seiten als Pufferzone genutzt. Es gab sogar mit Verträgen mit den "Heiden", im Jahre 1003 wurden die "Reichsfeinde" zu Verbündeten Kaiser Heinrichs II im Konflikt mit dem polnischen Fürsten Boleslaw Chobry. Erst der Wendenkreuzzug des Jahres 1147, an dem Bischof Anselm von Havelberg als päpstlicher Legat teilnahm, brach den Widerstand der wendischen Bevölkerung. Die Deutschen konnten den Bischofssitz zurückerobern.



Der Untergang

Fontane berichtet über das Ende dieses freien Volkes: "Erst mit dem Eintritt des zwölften Jahrhunderts gingen die Dinge einer Wandlung entgegen; die Wendenstämme, untereinander in Eifersüchteleien sich aufreibend, zum Teil auch uneins durch die rastlos weiterwirkende Macht des Christentums, waren endlich wie ein unterhöhlter Bau, der bei dem ersten ernsteren Sturme fallen musste. Die Spree- und Havellandschaften waren, so scheint es, die letzten Zufluchtsstätten des alten Wendentums; Brennabor, nachdem rundumher immer weiteres Terrain verloren gegangen war, war mehr und mehr der Punkt geworden, an dessen Besitz sich die Frage knüpfte, wer Herrscher sein solle im Lande, Sachse oder Wende, Christentum oder Heidentum. Das Jahr 1157, wie eingangs schon bemerkt, entschied über diese Frage. Albrecht der Bär erstürmte Brennabor, die letzten Aufstände der Brizaner und Stodoraner wurden niedergeworfen, und mit der Unterwerfung des Spree- und Havellandes empfing das Wendenland zwischen Elbe und Oder überhaupt den Todesstoß."

Albrecht der Bär hatte 1150 die slawischen Gebiete vom christlichen Wendenfürsten Pribislaw geerbt, aber erst nach harten Kämpfen mit Wendenfürst Jakzo von Köpenick festigte er seine Macht. Zur Widerbelebung und assimilativen Übermacht der Christen holte er Rheinländer, Holländer und Flamen in die Mark, die Kolonisierung begann.

Was wurde aus den Wenden? Wurden sie ausgerottet? Auch hier genügt es vollständig, Fontane sprechen zu lassen: "Sie wurden keineswegs mit Stumpf und Stiel ausgerottet, sie wurden auch nicht einfach zurückgedrängt bis zu Gegenden, wo sie Stammesgenossen vorfanden - sie blieben vielmehr alle oder doch sehr überwiegenden Teils im Lande und haben in allen Provinzen jenseits der Elbe unzweifelhaft jene Mischrace hergestellt, die jetzt die preußischen Provinzen bewohnt."

Einzelne Historiker haben dies bestreiten wollen, aber wir glauben, mit Unrecht. Einmal würde eine solche konsequent durchgeführte Racengeschiedenheit gegen die historische Überlieferung aller andern Staaten, bei denen ähnliche Verhältnisse obwalteten, sprechen, andererseits dürfte es, von allen Analogien abgesehen, nicht schwer halten, in aber hundert Einzelfällen solche Mischung der beiden Racen nachzuweisen. Es ist wahr, die Deutschen brachten den Stolz des Siegers mit, ein Racegefühl, das, auf geraume Zeit hin, eine Schranke gezogen haben mag; wir halten uns aber nichtsdestoweniger überzeugt, dass, noch ehe die Hohenzollern ins Land kamen, jedenfalls aber noch vor Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts, diese Unterschiede so gut wie verwischt waren. Sie mögen an einzelnen Orten länger bestanden haben, es mag Ortschaften geben, wo sich bis diesen Tag eine Exklusivität findet, die auf jene alte Wendenabneigung zurückzuführen ist, im großen und ganzen aber liegt die Verschmelzung weit zurück. Wir wollen dabei andererseits gern zugeben, dass, wenn innerhalb der seitdem verflossenen Jahrhunderte die Generationen in den Dörfern, säend und erntend, in einem ewigen Wechsel und doch zugleich in einem ewigen Gleichmaß des Friedens aufeinander gefolgt wären, diese Empfindungen und Äußerungen des Racendünkels vielleicht fortgedauert hätten.

Aber "die Not gibt wunderliche Schlafgesellen", und die Konservierung alter Vorurteile wurde durch die Verhältnisse, durch Brand und Krieg, durch die Gemeinschaftlichkeit des Unglücks unmöglich gemacht. Das Aufeinanderangewiesensein riss jene Schranke nieder, die die Fülle selbstbewussten Glücks aufgerichtet hatte. Mehrfach ging der schwarze Tod durch das Land und entvölkerte die Dörfer; was der schwarze Tod nicht tat, das taten, in nie rastenden Kriegen, die Pommern und Polen, und was die Pommern und Polen nicht taten, das taten die Hussiten.

Im Barnim befinden sich vielleicht zwanzig oder dreißig Feldmarken, die Namen wie Wüste-Sieversdorf, Wüste-Gielsdorf, Wüste-Büsow etc. führen, Benennungen aus jener Epoche immer neuer Verödungen her. Die wüst gewordenen Dörfer, namentlich solche, wo einzelne bewohnte Häuser und Hütten stehen geblieben waren, wieder neu zu besetzen war die Aufgabe der Landesverwaltung, die in Brandenburg von jeher den Friderizianischen Satz verfolgte: »Menschen; vor allem Menschen.« Man freute sich jeden Zuzugs, ohne nach der Racenabstammung zu fragen.

Das deutsche Dorf, in dem vielleicht ein Fritze, ein Hansen, ein Dietrichs wohnte, war froh, einen Kroll, einen Noack, einen Posedin die wüst gewordenen Stätten einnehmen zu sehn, und ebenso die wendischen Dörfer empfingen den deutschen Zuzug mit Freude. Die Namensverzeichnisse im Landbuch von 1375, wie die Urkunden überhaupt, lassen keinen Zweifel darüber.

Leicht gemacht wurde es den Wenden auch Jahrhunderte nach der Christianisierung nicht. Lebten sie in ihren alten Ansiedlungen und daneben die Einwanderer, so hieß ihr Dorf "Klein-" , das der Deutschen "Groß-" (z.B. Klein Schwarzlosen und Groß Schwarzlosen). War es Ausgrenzung oder Ausdruck von besonderer Freiheit, wenn die Wenden ihre Dörfer nach ihrer Abstammung benennen durften wie in Wendisch-Rietz? Als vollwertige Christen galten sie noch lange nicht. In einer Kirche in Fergitz am Oberuckersee gibt es einen separaten Eingang für die Wenden, den Eingang der Deutschen durften sie nicht benutzen.

Aber ganz verschwunden sind sie wohl nie, diese bodenständigen, abergläubigen Märker mit ihren zum Teil skurrilen Naturanschauungen. Fontane hat sie noch im Oderbruch ausgemacht: "Das Oderbruch - oder doch wenigstens das Niederbruch, von dem wir im nachstehenden ausschließlich sprechen - blieb sehr lange wendisch. Wahrscheinlich waren alle seine Bewohner, bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts hinein, von ziemlich unvermischter slawischer Abstammung. Die deutsche Sprache war eingedrungen (es ist nicht festzustellen, wann), aber nicht das deutsche Blut."

Die Gegend war auch nicht dazu angetan, zu einer Übersiedelung einzuladen. Ackerland gab es nicht, desto mehr Überschwemmungen, und der Fischfang, den die Wenden, wenigstens in diesen Gegenden, vorzugsweise betrieben, hatte nichts Verlockendes für die Deutschen, die zu allen Zeiten entweder den Ackerbau oder die Meerfahrt, aber nicht den Fischfang liebten. Dazu kam, dass die alten Wenden, wie es scheint, von sehr nationaler und sehr exklusiver Richtung waren und den wenigen deutschen Kolonisten, die sich hier niederließen (zum Beispiel unter dem Großen Kurfürsten), das Leben so schwer wie möglich machten. ... "Die Dörfer im Bruch" - so sagt eine in Buchholtz "Geschichte der Kurmark Brandenburg" abgedruckte Schilderung (Vorrede zu Band II) - "lagen vor der Eindeichung und Neubesetzung dieses ehemaligen Sumpflandes auf einem Haufen mit ihren Häusern, das heißt also, weder vereinzelt noch in lang gestreckter Linie, und waren meistens von gewaltigen, häuserhohen, aus Kuhmist aufgeführten Wällen umzingelt, die ihnen Schutz vor Wind und Wetter und vor den Wasserfluten im Winter und Frühling gewährten und den Sommer über zu Kürbisgärten dienten. Den übrigen Mist warf man aufs Eis oder ins Wasser und ließ ihn mit der Oder forttreiben."

Die Geschichte um das Sühnekreuz in Eggersdorf müssen wir nicht umdeuten - dafür ist sie zu schön. Aber vielleicht wissen wir bald mehr über dessen Entstehungsgeschichte.

Betrachten wir also das Leben und Wirken dieser unseres mittelalterlichen Vorfahren genauer. Wie lebten Sie, hatten sie Städte und Dörfer? Wovon ernährten sie sich? Wie hießen ihre Götter, wie sahen sie aus. Was ist von ihnen geblieben? Also gehen wir auf eine Entdeckungsreise in eine Welt, die vor 1000 Jahren freie Bauern und Fischer, Pferdezüchter und Händler gesehen hat und die - von uns bisher unbeachtet - ihre Spuren hinterlassen hat. Ein unerforschter Ringwall, eine geheimnisvolle versunkene Stadt, ein Pferdeorakel ...

wird fortgesetzt ...


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