Heimatkreis
Netzekreis

von Gerhard Pieske

Im Südosten Pommerns, beiderseitig der Ostbahn zwischen Kreuz und Schneidemühl, lag der Netzekreis. Er hatte eine Größe von rd. 890 qkm mit 40.000 Einwohnern und gehörte zur Provinz Grenzmark Posen - Westpreußen, von 1938 an zu Pommern.


Pommern um 1938
Pommern um 1938


Sein Entstehen

Nach dem I. Weltkriege und durch den Versailler Vertrag von 1919 waren im Osten große Gebiete Deutschlands verloren gegangen, u.a. das Memelland (Litauen), Danzig (Freistaat); zu Polen waren Teile Schlesiens, fast ganz Westpreußen und die Provinz Posen gekommen.

Die Grenzmark

Aus den bei Deutschland durch Abstimmung verbliebenen Restgebieten entstand dann durch das Ostmarkengesetz vom 01.07.1922 die Traditionsprovinz Grenzmark Posen - Westpreußen mit Schneidemühl als Provinzhaupt und Stadtkreis. Es gehörten ferner dazu: im nördlichen Teil die Kreise Schlochau, Flatow, Deutsch Krone und der Netzekreis.
Im südlichen Teil die Kreise Schwerin, Meseritz, Bomst und Fraustadt.

Der Netzekreis, im Zuge dieser Neuordnung zwischen Drage, Netze (im Süden) und Küddow entstanden, und zwar aus den bei Deutschland verbliebenen, nördlich der Netze gelegenen Restteilen der Kreise Kolmar, Czarnikau und Filehne, war also ein recht junger Kreis und wurde gleich Grenzkreis (Zollgrenzbezirk). Die Netze war nun Kreis -, Provinz - und Staatsgrenze und Schönlanke die Kreisstadt.



Die Landschaft

Wie die Nachbarkreise und Pommern im Norden, war auch der Netzekreis so recht ein "Kind der Eiszeit" und ihrer Schmelzwässer.
Fruchtbare Grund - und Endmoränenböden wechselten ab mit weiten, von Kiefernwäldern bestandenen Sanderflächen, darin eingelagert reizvolle Seen, Flüsse und Bäche.
Das Urstromtal der Netze im Süden bildete den Abschluß.



Siedlungsgeschichte

Ordensritter
Der Ordensritter auf der Brücke zu Deutsch Filehne nahe der derzeitigen Reichsgrenze. Unter dem Ordensritter das Netzekreiswappen
Nach dem Abzug der Germanen während der Völkerwanderung blieb das Gebiet des späteren Netzekreise menschenleer. Die Netze war versumpft, zeigte undurchdringliches Buschwerk, war siedlungsfeindlich.
Erst 500 - 600 n. Chr. dringen slawische Menschen, von der Wissenschaft mit Wenden, Pomoranen und Polen bezeichnet, beiderseits der Netze nach Westen vor. Siedlungen sind aber, sieht man von Behle ab, nicht bekannt. Erst viele Jahrhunderte später hatten einige polnische Grundherrn Besitzungen an den Flußübergängen der Netze inne, so bei Usch, Czarnikau und Filehne. Um nun die Ländereien ringsum, vor allem die nördlich gelegenen, urbar und damit lukrativ zu machen, riefen sie Ende des 16. Jahrhunderts deutsche Bauern, in Viehhaltung und Ackerbau erfahren, aus den westlichen und nördlichen Nachbargebieten als Neusiedler ins Land.



Die Schulzendörfer

DieseVorhaben wurden durch Anwerber (Lokatoren) durchgeführt, die sich dem Grundherrn gegenüber verpflichtet hatten, eine bestimmte Anzahl von Bauern für eine Dorfneugründung heranzuholen. Der Lokator nahm dann am Bestimmungsorte mit den Neusiedlern die Anlage - und Besitzaufteilung vor und hatte zukünftig für pünktliche Zinsen -, Pacht - und Abgabeleistungen an den Grundherrn, sowie für die Durchführung bestimmter Hand - und Spanndienste zu sorgen.

Ev. Dorfkirche in Groß Drensen
Evangelische Dorfkirche Groß Drensen

Er wurde dafür mit dem Amte des Schulzen (Dorfoberhaupt), mit größerem Landbesitz, dem Schulzengut und mit bestimmten Vorrechten, wie Jagd -, Fischerei - oder Braurecht, ausgestattet.
Die Neusiedler wiederum hatten hier mehr Freiheit als früher, erhielten mehr Ackerland und hatten weniger Frondienste und Abgaben zu leisten. So entstanden bis 1625 die meisten Neugründungen im Netzekreis, fast alle in geschlossener Dorfform, als sog. Schulzendörfer. Mit kleinen und mittelgroßen Bauernstellen für Viehzucht und Ackerbau angelegt, waren sie typisch für die Besiedlung der mittleren und leichten Böden unserer Heimat.




Die Holländerdörfer (Holländereien)

Ganz anders gestaltete sich dagegen die Anlage der sog. Holländerdörfer (Holländerei = Weide -, und Wiesenwirtschaft), wie Uschhauland, Putzighauland, Neuhöfen, Follstein, Marien - und Ehrbardorf u.v.a. Sie entstanden als Streusiedlungen oder Straßendörfer vorwiegend am Talrand der breiten Netzeniederung.

Floth vor 1945
Floth vor 1945 - Gesamtansicht, im Hintergrund die Netze - Straßendorf

Es waren vor allem niederdeutsche Siedler, im Deichbau und der Sumpf - und Wiesenregulierung erfahren, die sich hier niederließen und sich selber "Holländer" nannten.
Im Gegensatz zu den Schulzendörfern trat hier der Siedler direkt vor den Grundherrn und schloß mit ihm den Siedlungsvertrag ab, der Kauf, Pacht, Verkauf, Vererbung oder Befreiung von Hand - und Spanndiensten regelte.
Auch die Berufung von Schöffen, Lehrern, Geistlichen und des Dorfoberhauptes, sowie den freien Schul - und Kirchenbau behielten sich die Holländer - Bauern vor. So bezeichnet man als "Holländerdorf" (Holländerei) vor allem die Rechts - und Wirtschaftsform des betreffenden Ortes, keineswegs die Herkunft der Siedler.


Jugendherberge in Follstein Jugendherberge Follstein; altes ostdeutsches Vorlaubenhaus von 1742
1927 vom Kreise erworben und erneuert


Nach 1700 kamen zu den bereits genannten Holländerdörfern noch die Neugründungen Lukatz, Ludwigsdorf, Glashütte, Groß - und Klein Lubs u.a. hinzu.
Alle Siedler in den Schulzen - und Holländer - Dörfern, der Großteil kam aus Pommern, Brandenburg oder der Neumark, waren nach Wesensart und Sprache deutsch und überwiegend protestantisch.
Die Umgangssprache war das hinterpommersche Plattdeutsch, wie auch viele Familiennamen pommersche Herkunft verrieten.



Bei Preußen Als 1772 infolge der 1. Teilung Polens der Netzedistrikt und damit auch das Gebiet des späteren Netzekreises zu Preußen kam, fand Friedrich der Große, im Gegensatz zu manch anderen polnischen, aber verwahrlosten Landesteilen, hier solide und recht geordnete Verhältnisse vor. über 30 Dörfer mit überwiegend kleinen und mittelgroßen Höfen waren im Laufe der Besiedlung entstanden, und in den folgenden Jahren kamen 12 weitere hinzu.

Denkmal Friedrich des Großen an der Küddowbrücke
Denkmal Friedrich des Großen an der Küddowbrücke

In dem Dorfe und Vorwerk sowie der Stadt Schönlanke, wo 220 Tuchmacher und Färber ansässig waren, blühte die Tuchmacherei, ebenso im benachbarten Radolin, daß 1759 Stadt geworden war.
Hier zählte man 37 Tuchmacher. Die Bauern lieferten einen kleinen Teil der Wolle, das Gros kam aus Rußland, das auch Hauptabnehmer der Tuche war.
Inzwischen hatten sich überall auch die ersten Handwerker, wie Schumacher, Schneider, Schmiede, Müller, Maurer, Bäcker und Tischler niedergelassen. In Schönlanke kamen noch viele Juden als Händler, Schlachter und Kürschner hinzu.
Ihren Bevölkerungsanteil zeigt eine Erhebung von 1773. Danach waren im Dorf und Vorwerk Schönlanke 543 Menschen, in der Stadt 2071 wohnhaft. Von diesen Stadtbewohnern waren 264 Juden (12,7 %).




Neue Vorhaben

Trotz vieler guter Entwicklungen gab es noch manchen Nachholbedarf. So ließ Friedrich der Große durch Balthasar Schönberg von Brenckenhoff die Netze regulieren und schiffbar machen, das Netzebruch entwässern und in fruchtbare Wiesen umwandeln.

Friedrich der Große und Brenckenhoff
Friedrich der Große und Brenckenhoff bei der Besichtigung von Regulierungsarbeiten

Da bis dahin in unseren Dörfern und Städten die Häuser noch aus Holz, im Blockbohlenbau errichtet, mit Stroh oder Schindeln gedeckt, auch die Schornsteine meistens aus Holz waren, fielen Gehöfte, Straßen, ja ganze Ortschaften oft verheerenden Bränden zum Opfer.

Haus mit Ecklaube in Ehrbardorf
Haus mit Ecklaube in Ehrbardorf, Schräge Giebelverbretterung

Um Abhilfe zu schaffen, förderte der König durch Geldzuwendungen den massiven Haus - und vor allem Schornsteinbau, ferner den Bau von Schulen und Kirchen. Er führte die allgemeine Schulpflicht ein und schuf die Grundlagen für eine geordnete Gerichtsbarkeit und Verwaltung. Für seine Nachfolger waren damit gute Voraussetzungen für Fortführung und Erweiterung dieser Vorhaben gegeben.




Die "Franzosenzeit"

Als im unglücklichen Kriege 1806/07 der preußische Staat zusammengebrochen war und französische Truppen plündernd und requirierend Städte und Dörfer durchzogen, brachen lange Notjahre an. Den Bauern waren Arbeits - und Zuchttiere weggenommen worden, die äcker konnten nicht mehr bestellt werden. Das wirtschaftliche Leben in dieser "Franzosenzeit" stagnierte.


Fachwerkhaus mit Ecklaube
Fachwerkhaus mit Ecklaube und Püttbrunnen aus dem Jahre 1798 Putzig Hauland Nr. 20


Infolge des Tilsiter Friedens 1807 kam der südliche Teil unseres Heimatgebietes zum neugegründeten Herzogtum Warschau, nur kurze Zeit. Denn mit Napoleons Niederlage und Sturz zerfiel auch dieses Herzogtum Warschau, und im Wiener Kongreß 1815 kam der Netzedistrikt wieder zu Preußen, zur Provinz Posen und zum Regierungsbezirk Bromberg (bis 1919).

Auch einige Kreisgrenzen änderten sich. So wurde Anfang 1816 der zu große Kreis Deutsch Krone, zu dem das Netzekreisgebiet gehörte, in die Kreise Deutsch Krone und Czarnikau geteilt.
Unsere Heimat kam zu letzterem und mit ihr die Städte Filehne, Czarnikau, Schönlanke, Radolin, Schneidemühl, Usch, Kolmar und Budsin.
Schönlanke war mit die größte Stadt und hatte (ohne Dorf) 2915 Einwohner. Davon waren 1677 evangelisch, 628 katholisch und 610 jüdisch (21,0 %).



Die Separation

Obwohl die Einwohnerzahlen, trotz der bitteren Not - und Nachkriegsjahre, in Stadt und Land angestiegen waren, die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung stagnierte.
Da brachte die ab 1823 durch preußische Gesetze begonnene Separation (Zusammenlegung, Flurbereinigung) eine gewisse Belebung für die Landwirtschaft.

Die Mischkemühle in Mischke um 1932
Die Mischkemühle in Mischke um 1932


Sie hatte das Ziel, die oft verstreut liegenden Ackerflächen zu arrondieren und das bisher gemeinsam genutzte Weide - und Waldland den einzelnen Bauern zuzuteilen, den privaten Besitz also zu vergrößern.
In den Folgejahren hörten auch die Verpflichtungen zu Hand - und Spanndiensten auf.
Um lange Anfahrtswege zu ersparen, wurden vereinzelt Gehöfte auch "nach draußen" verlegt. Im Dorfe Schönlanke entstanden so die "Abbauten".



Niedergang der Tuchmacherei

Während also in den Dörfern Voraussetzungen für eine Besitzverbesserung geschaffen wurden, ging es dem einst so blühenden Tuchmachergewerk von 1679 in Schönlanke, in Radolin und anderen Tuchmacherstädten unserer ostdeutschen Heimat ständig schlechter, der völlige Niedergang war vorgezeichnet.

Windmühle in Stiegliz
Windmühle in Stiegliz - erbaut etwa 1856 - letzter Besitzer Pontow


Dafür gab es mehrere Gründe :

1.) Die früheren Wolleinfuhr - und Tuchabsatzmärkte in Polen waren verloren gegangen und der neue Grenznachbar Rußland hatte seit 1822 durch hohe Zölle die Einfuhr von Tuchen äußerst erschwert.
2.) Innungszwang und alte Privilegien führten zu geringerer Flexibilität, um sich z.B. der Herstellung einer größeren Auswahl auch feinerer Tuche zuzuwenden.
3.) Durch geringe Finanzkraft und verpaßte Mechanisierung erlag man bald der Konkurrenz mechanischer Webstühle und den sich ausbreitenden Textilfabriken im Westen.

Ergebnis :
Die Tuchmacher verarmten zusehens, wurden von Händlern abhängig oder sanken zu Arbeitern oder Tagelöhnern herab.
Einige ergriffen andere Berufe oder verkauften ihren Besitz, andere siedelten in das russische Polen über, nach Lodz, Kiew, ja sogar nach Odessa.

Die kleine Tuchmacherstadt Radolin wurde infolge dieser Verarmung 1857 wieder Dorfgemeinde.
Die Schönlanker Tuchmacher - und Leineweber - Innung löste sich 1888 auf.



Der Bau der Ostbahn

Preußen hatte schnell erkannt, welche Bedeutung die Erfindung der Lokomotive für die Eisenbahn und damit für die Erschließung und den allgemeinen Verkehr, vor allem in den Ostgebieten, haben würde.
Nach der Einweihung der Bahnstrecke Berlin - Potsdam (1838) dauerte es nicht mehr lange, bis durch Kabinettsorder auch der Bau der Ostbahn in den Teilabschnitten Küstrin - Bromberg - Dirschau genehmigt worden war.
Im weiteren Verlauf spielten die Revolutionsunruhen 1848 in Berlin, die Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung eine wichtige Rolle. So kam man höheren Ortes auf den Gedanken, die aufsässigen und arbeitslosen Berliner zu entfernen und sie beim Bau der Ostbahn einzusetzen, was auch geschah.

Alte Fußgängerbrücke über die Bahngleise
Alte Fußgängerbrücke über die Bahngleise


Im Juni 1848 trafen die ersten Arbeiter in Dragebruch bei Kreuz ein. Im September waren es bereits 1300, die bei 10 - stündiger Arbeitszeit im Sommer in Erdhütten, im Winter in Ställen und Scheunen der Bauern kampierten. Baubüros entstanden zunächst in Filehne und Schneidemühl, aus praktischen Gründen ab 1849 nur in Schönlanke. Trotz großem Arbeiterwechsel, Unzufriedenheiten und Reibereien gingen die Arbeiten in den einzelnen "Schächten" zügig voran.

Am 26. Juli 1851 war es dann soweit.
Die Strecke Kreuz - Bromberg wurde von König Friedrich Wilhelm IV. eingeweiht, der dann im Extrazug von Kreuz aus die Stationen Filehne, Ascherbude, Stieglitz, Schönlanke, Stöwen, Schneidemühl bis Bromberg abfuhr, überall freudig begrüßt.
Im weiteren Verlauf des Ausbaues entstanden auf den genannten Stationen Bahnhofsgebäude für Personen - und Güterverkehr, ein Großbahnhof in Kreuz, ebenso in Schneidemühl.
Jedenfalls erwies sich der Bau der Ostbahn bald als ein mutiger Schritt vorwärts im Verkehrswesen, stellte letztlich die Verbindung nach Westen von Kreuz über Küstrin - Berlin bisParis, nach Osten über Schneidemühl - Dirschau - Königsberg - Eydtkuhnen bis St. Petersburg her.



Weitere Folgewirkungen

Vom Bau der Ostbahn waren spürbare Impulse auch für die weitere Entwicklung des Verkehrs - und Wegenetzes in unserem Heimatgebiet ausgegangen. Neue Zufahrtsstraßen, Chausseen und Wege waren in den Dörfern und an der Netze entstanden. Aber die Zeugen des "Maschinenzeitalters", wie sie in Fabriken und Industrieanlagen Westdeutschlands zu erkennen waren, fehlten bei uns.

Noch waren Wasser - und Windmühlen die hauptsächlichen Energiespender und Antriebskräfte, sieht man von den Lokomotiven der Bahn und den Pferdegespannen der Bauern ab. Doch ein leichter Anstieg der Einwohnerzahlen war in den meisten Dörfern, die auch mehr geworden waren, zu verzeichnen.

Die evangelische Kirche in Schönlanke
Die evangelische Kirche in Schönlanke


Erste Vereinsgründungen (Schützen -, Landwehr -, Gesang - und Turnvereine) bereicherten das Gemeinschaftsleben in Dorf und Stadt.

Wie in der Separation, in den Verwaltungen oder im Gerichts - und Schulwesen die "Preußische Ordnung" sich positiv ausgewirkt hatte, so jetzt auch in der Zusammenfassung und Betreuung der riesigen Forsten.
In den folgenden Jahren entstanden in der von Putzig bis Stöwen reichenden Staatsforst die beiden Forstämter Schönlanke und Behle mit Sitz in Schönlanke,
ferner die gräfliche Privatforst Filehne mit einem Forstamt im Schloß.

Eine deutliche Aufwärtsentwicklung in allen Bereichen des allgemeinen und wirtschaftlichen Lebens setzte aber besonders nach dem Kriege von 1870/71 und in den sog. "Gründerjahren" ein, in unserem so peripher gelegenen Gebiet noch um zwei Jahrzehnte verzögert.



Die Zeit bis 1914

Dieser Nachholbedarf an Mechanisierung, Ansiedlung von Fabriken und Handelsunternehmen wurde besonders deutlich in der Stadt Schönlanke verwirklicht. Nachdem 1905 Dorf und Vorwerk Schönlanke in die Stadt eingemeindet worden waren, hatte diese an Grundbesitz und Bewohnern beachtlich zugenommen und zählte jetzt
rd. 8.000 Einwohner.

Die Wilhelmstraße in der Stadt Filehne vor 1914
Die Wilhelmstraße in der Stadt Filehne vor 1914


Schon 1879 waren hier ein Amtsgericht (wie in Czarnikau und Filehne), 1883 eine Synagoge und dann eine Präparandenanstalt entstanden. Jetzt kamen 7 Sägewerke,
7 Zigarrenfabriken, eine Brauerei, Molkerei, Kalksandsteinfabrik, Druckerei, ein Spar - und Vorschußverein (Volksbank), eine Mazzefabrik, ein Elektrizitätswerk und Schlachthof, ein Betonwerk und viele Tischlereien, Bäcker - und Fleischereien hinzu. Es folgten Handelsbetriebe, Ladengeschäfte für Textilien, Schuhe und Lebensmittel, außerdem einige Hotels und Gaststätten.

In den größeren Dörfern war es ebenfalls zu Niederlassungen von Sparkassen, Geschäften, Brennereien, Handwerksbetrieben, Sägewerken und Ziegeleien (Follstein und Niekosken) gekommen.

Von Kreuz aus war 1899 eine Kleinbahn gebaut worden, die über Glashütte, Selchowhammer, Selchow nach Schloppe und später bis Deutsch Krone führte.

Lokomotive der Kleinbahnstecke
Lokomotive der Kleinbahnstrecke Kreuz - Schloppe - Deutsch Krone


Kreuz erhielt in diesen Jahren ebenfalls ein Schlachthaus, eine Stärkefabrik, eine überführungsbrücke über das Eisenbahngelände, ferner Sparkasse und Anschluß an das Stromnetz.

In allen Gemeinden hatte sich das Vereinsleben verstärkt, und die heimischen Seen, wie in Schönlanke und Kreuz, waren durch Badeanstalten und Anlagen zu Freizeitstätten geworden.
Da unterbrach der 1. Weltkrieg 1914 für mehrere Jahre diese allgemein fried - und hoffnungsvolle Entwicklung.



Der Netzekreis entsteht

Als nach dem verlorenen 1. Weltkrieg 1919 der Netzekreis mit der Kreisstadt Schönlanke entstanden war, gab es große Sorgen und Aufgaben. Es galt aus dem neuen Gebilde einen wirtschaftlich und kulturell leistungsfähigen Kreis zu machen.
Trotz vieler Anfangsschwierigkeiten, wie Wohnungsnot, wirtschaftlicher Nachholbedarf, Unterbringung neuer Kreisbehörden, Betriebe und ämter, das Vorhaben gelang.
Eine rege Bautätigkeit setzte ein.
Schon 1921/22 entstand das neue Kreishaus.

Das um 1921/22 erbaute neue Kreishaus
Das um 1921/22 erbaute neue Kreishaus ( Landratsamt )


Weitere Kreisbauten und - einrichtungen folgten, so das Katasteramt, die Landwirtschaftliche Schule, die Kreisberufsschule und Kreissparkasse, das Kreisschulamt und Heimatmuseum, eine Volkshochschule und das Finanz - und Zollamt.

In den Dörfern und in der Kreisstadt Schönlanke setzte eine ähnliche Entwicklung ein. Schönlanke erhielt Wasserleitung, ein Krankenhaus, eine Turn - und Festhalle, eine neue kath. Volksschule, Oberreal - und Mädchen - Mittelschule. Gleichzeitig vollzog sich die wirtschaftliche Wiederbelebung aller Fabriken, Gewerbebetriebe und der Handels - und Geschäftsunternehmen.

Im Schloßpark zu Behle entstanden die evgl. Grenzland - Volkshochschule "Brenckenhoffheim", im ehemaligen Herrenhaus gegenüber eine Landfrauenschule.

Tanz vor dem Brenckenhoffheim in Behle
Tanz vor dem Brenckenhoffheim in Behle


In Stieglitz wurde die Ostmärkische Sportschule erbaut.

Wochenend - Treffen der Sing - und Spielscharen Putzighauland / Schönlanke
Wochenend - Treffen der Sing - und Spielscharen Putzighauland / Schönlanke.
Ltg. Lehrer Saddey in der Sportschule Stieglitz


Im Vorlaubenhaus von 1742 in Follstein wurde 1927 eine Jugendherberge eingerichtet.

In Gr. Drensen ein Altenheim, das "Feierabendhaus".

Feierabendhaus in Groß Drensen
Feierabendhaus in Groß Drensen



Ein repräsentativer Bau war die Waldarbeiterschule bei Theerofen am Straduhner See.

Waldarbeiterschule am Straduhner
Waldarbeiterschule am Straduhner - See bei Theerofen, Innenhof




Nach Vertiefung der Netze erhielt Kreuz einen Umschlaghafen, 2 Sägewerke, eine Holzwollfabrik und Ladengeschäfte.
Im Jahre 1936 wurde aus der bisherigen Gemeinde die Stadt Kreuz.

Im Netzekreis waren weitere Gemeinden entstanden, so Dt. Filehne, Dt. Czarnikau, Karlshorst, Neu - Behle und Dt. Usch.
Jetzt umfaßte der Kreis 2 Städte und 57 Dörfer mit vorwiegend kleinen und mittelgroßen Betrieben, dazu 2 Rittergüter in Hammer und Dt. Filehne (Schloß) sowie mehrere Kleingüter.

Bemerkenswert war überall die enorme Entwicklung des Vereins - und Kulturlebens. Dazu gehörten vor allem die Turn - und Sportvereine, jetzt auch mit Frauen - und Jugendabteilungen, die Theater - und Bildungsvereinigungen, Chöre und Gesangvereine, die Sing - und Spielscharen in Putzighauland, Runau und Stieglitz und die Vereine verschiedenster Art.



Das frühe Ende

Dieser so hoffnungsvollen und freien Gesamtentwicklung machte nach 1933 das
Hitler - Regime mit seinen Zwangsorganisationen und Reglementierungen von Jahr zu Jahr mehr zu schaffen. Die Provinz Grenzmark - Posen - Westpreußen wurde 1938 aufgelöst, der Netzekreis mit den nördlichen Nachbarkreisen kam zu Pommern.

Nur wenig später brach der 2. Weltkrieg aus. Harte, entbehrungsreiche Jahre folgten, dann der Zusammenbruch, Russeneinmarsch, Flucht und Vertreibung.

Nur rund 25 Jahre waren unserem so jungen, aufstrebenden Netzekreis beschieden.

Seine ehemaligen Bewohner leben heute in der Bundesrepublik verstreut, einige auch im Ausland, und haben meistens dort eine 2. Heimat gefunden.


Aber die Erinnerung bleibt.



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Wappen von Schönlanke
Wappen von Kreuz

Entstehung