Hintergrundinformation:
Das 16:9-Format in der Videoproduktion
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Fernsehen wird immer mehr zum Erlebnis. Und um den Eindruck eines Kinoerlebnisses auch zu Hause geniessen zu können, sind Fernseher im 16:9-Format erhältlich oder in der Darstellung dafür einstellbar. Auch Videokameras bieten inzwischen den attraktiven 16:9-Aufnahmemodus an. Was steckt nun technisch hinter dem Format und wie wird es in der Videoproduktion unterstützt?

Das 16:9-Format wird oft gleichgesetzt mit höherer Auflösung bzw. besserer Bildqualität. Dies ist nur bedingt korrekt, denn zum Teil leidet die Bildqualität sogar, wenn im 16:9-Format gearbeitet wird. Da die Übertragung von Videosignalen generell auf die Standardaufösung von 720x576 Bildpunkten genormt ist, müssen verschiedene Verfahren angewandt werden, um am Ende ein korrektes 16:9-Bild zu sehen.

Wie funktioniert nun 16:9 von der Kamera bis zum Fernseher, was muss bei der Arbeit mit nonlinearen Editing-Systemen beachtet werden und welcher Zusammenhang besteht zwischen PAL Plus und 16:9?


Format und Auflösung bei 16:9      Nachbearbeitung von 16:9-Signalen

16:9 in der Kamera

Manche Kameras (sowohl analog als auch digital) sind in Versionen erhältlich, die sich zwischen 4:3 und 16:9 umschalten lassen, d.h. bei der Aufnahme wird ein Bild im 16:9-Seitenformat erzeugt. Da jedoch die Standard-Protokolle für die Übertragung von der Kamera zum Monitor eine Auflösung von 720x576 vorschreiben, egal um welches Format es sich handelt, werden 16:9-Bilder horizontal gestaucht abgespeichert und übertragen- es entsteht ein sogenanntes "anamorphes", also verzerrtes Bild. Zusätzlich wird in einer der nicht dargestellten Zeilen eine Information verschlüsselt (WSS - Wide Screen Signalling), die 16:9 Fernsehern mitteilt, auf das entsprechende Format zu schalten.

Auf 16:9-Monitoren und 4:3-Monitoren mit 16:9-Darstellungsmodus wird das anamorph übertragene Bild mit korrektem Seitenverhältnis dargestellt, auf "normalen" 4:3-Monitoren jedoch verzerrt.


Abbildung 1: anamorphes Bild, erzeugt im 16:9 Modus


Sollen 16:9-Signale mit einem nonlinearen Editing-System nachbearbeitet werden, müssen bestimmte Parameter angepaßt werden. Die korrekte Darstellung der 16:9-Bilder ist dabei die erste Hürde, die das System nehmen muss.

Aus einem anamorphen Bild wird mittels "Auseinanderziehen" ein seitenkorrektes 16:9-Bild. In der Darstellung auf dem Computerbildschirm hat ein volles 16:9 Bild dann 1024x576 Bildpunkte (s. Abb. 1).



Seitenkorrigierte Effekte
Da die aufgenommenen Bilder in der PAL-Standardauflösung 720x576 im Editing-System vorhanden sind, unterscheidet sich die Nachbearbeitung grundsätzlich nicht von der eines 4:3-Signals.

Da aber bei der Ausgabe des fertig geschnittenen Videos das Bild durch horizontale Skalierung wieder in ein seitenkorrektes 16:9-Bild gewandelt wird, würden einige Effekte "falsch" aussehen. Kreisblenden werden zu elliptischen, Quadrate werden zu Rechtecken.

Deswegen müssen auch die Effektparameter entsprechend geändert werden: Kreisblenden werden als horizontal gestauchte Ellipsen angelegt, bei der Erzeugung von Rahmen müssen unterschiedliche Stärken für die horizontalen und vertikalen Rahmenteile gewählt werden. Ist das Editing-System nicht in der Lage, in einem 16:9-Modus diese Änderungen automatisch bereitzustellen, muß der Anwender selbst darauf achten, diese Bedingungen einzuhalten.



Import von Grafiken und Titeln
Auch Grafiken und Titel müssen im PC mit einer Auflösung von 1024x576 quadratischen Pixeln angelegt werden. Entweder erkennt das Editing-System automatisch, das es sich dann um ein volles 16:9-Bild handelt und skaliert entsprechend auf ein anamorphes 720x576 großes PAL-Vollbild (das dann bei der Darstellung im 16:9-Modus wieder seitenkorrigiert ist). Oder man muß diese Skalierung schon im Grafikprogramm vornehmen.



Ausgabe
Die Darstellung eines Bildes auf einem 16:9-fähigen Monitor erfordert wie beschrieben die verschlüsselte WSS-Kennung. Das Editing-System muss deswegen am Ausgang diese Kennung wieder in den fertig geschnittenen Film einfügen, damit der Monitor auf die 16:9-Darstellung umschaltet.


A) 16:9 in DV-Camcordern
DV-Camcorder, die einen 16:9-Modus bereitstellen, sind aufgrund begrenzter Optik und CCD (die Abtastchips zur Digitalisierung) meist nur in der Lage, ein "normales" 4:3 Bild aufzunehmen. Die Funktion 16:9 bei Camcordern bedeutet dann, daß oben und unten 72 Zeilen "abgeschnitten" werden("Cropping"), so daß ein kleineres Bild im 16:9 Seitenverhältnis entsteht.

Dieses 720x432 Pixel große Bild wiederum wird dann vertikal in die Länge gezogen, so daß es wieder ein volles PAL-Bild ausfüllt. Es entsteht das oben beschriebene anamorphe Bild.


Abbildung 2 - Erzeugung eines anamorphen 16:9-Bildes in DV-Camcordern


B) 16:9 in professionellen Kameras
Bei professionellen Kameras, die auf 16:9-Betrieb umschaltbar sind ("Widescreen"), ist die gesamte Optik und Abtastung bereits auf das veränderte Format ausgelegt. Im Gegensatz zu DV-Camcordern ist das abgetastete Bild tatsächlich im 16:9-Format mit erhöhter horizontaler Auflösung vorhanden.

Zur 9bertragung wird dieses Bild dann horizontal auf 720 Linien gestaucht, es entsteht wieder das beschriebene anamorphe Bild. Da die vertikale Auflösung der Kamera vollständig erhalten bleibt, ist die Bildqualität im Vergleich mit DV-Camcordern deutlich höher.

Beide Techniken erzeugen ein anamorphes PAL-Vollbild (720x576), das nur auf Breitbild- oder 16:9-fähigen Fernsehern mit korrektem Seitenverhältnis dargestellt wird.


Abbildung 3 - Erzeugung eines anamorphen 16:9-Bildes in professionellen Kameras

PAL Plus

Das 16:9-Format wird häufig mit PAL Plus gleichgesetzt. Dies ist jedoch nur bedingt richtig. PAL Plus wurde entwickelt, um Kinofilme auf 16:9-Fernsehern ohne schwarze Balken bildschirmfüllend darstellen zu können, gleichzeitig aber zu garantieren, daß auf "normalen" 4:3-Fernsehern keine Verzerrung entsteht, sondern automatisch ein "Letterbox"-Format angezeigt wird (der Begriff Letterbox kommt von den schwarzen Balken oben und unten, das Bild sieht aus als würde man es durch einen Briefschlitz - eben eine "Letterbox" - betrachten).


Ursprüngliches 16:9 Bild
Ein zu PAL Plus konformes Videosignal sieht deshalb zunächst einmal aus wie ein korrektes 4:3-Bild im Letterbox-Format. Der aktive Bildteil zwischen den schwarzen Balken ist deutlich kleiner als ein PAL-Vollbild bei gleichbleibender Qualität.

In den schwarzen Bildteilen sind zudem sogenannte "Helper-Informationen" versteckt (auf 4:3-Fernsehern nicht sichtbar), die die notwendige Skalierung auf 16:9-Fernsehern qualitativ verbessern.

Oben beschriebene, anamorphe 16:9-Bilder werden zwar aufgrund der WSS-Information auf 16:9 PAL Plus-Fernsehern korrekt dargestellt, entsprechen aber nicht den gesendeten PAL Plus Fernsehprogrammen.


Quellen:
[1] Keith Jack, Harris Semiconductors, AppNote No. AN9716: Widescreen Signalling (WSS), March 1997
[2] ITU-Recommendation BT 1119: Wide Screen Signalling