ZEIT ONLINE: Herr Dueck, warum braucht es heute andere Mitarbeiter als etwa vor 20 Jahren?

Gunter Dueck: Früher gab es klare, hierarchische Organisationen und getrennte Arbeitsbereiche: Zum Beispiel war die Produktion getrennt vom Marketing, die Entwicklung vom Vertrieb. Heute ist das anders. Die Aufgaben vermischen sich. Selbst wenn Sie bei einer traditionellen Bank arbeiten, müssen Sie gleichzeitig Vertriebsaufgaben und Kundenanfragen erledigen. Die Aufgaben sind insgesamt viel diffuser geworden. Sie arbeiten heute auch nicht mehr nur mit einem einzigen Chef zusammen, sondern Sie haben ganz viele Ansprechpartner, je nachdem, welche Dinge Sie gerade erledigen.

ZEIT ONLINE: Warum führt das zu Problemen?

Dueck: Das verlangt einfach ganz andere Qualitäten. Stellen Sie sich einen Kassierer vor, das geht auch, ohne ein Wort zu sprechen. Sie geben einfach das Geld heraus. Wenn Sie aber auch für die Kundenbetreuung zuständig sind, ist das schon anspruchsvoller. Da müssen Sie sozial kompetent sein oder auf Beschwerden reagieren. Wenn Sie dann auch noch Veränderungen durchsetzen müssen, sollten Sie noch mehr soziale Kompetenz mitbringen.

ZEIT ONLINE: Sie sagen: Durch das Internet wird viel Routine-Arbeit erledigt, übrig bleiben Aufgaben, die keine Routine fördern. Inwiefern geht die Gesellschaft mit diesen Veränderungen falsch um?

Dueck: Unsere Gesellschaft denkt, diese ganzen sozialen Kompetenzen, die in den Stellenanzeigen heute selbstverständlich gefordert werden, wären durch einen Zwei-Stunden-Kurs erlernbar. Man bietet einen Workshop über Kreativität an, danach sind alle kreativ. Soziale Kompetenzen werden damit meiner Ansicht nach kriminell unterschätzt. Kreativ sein, Verkaufen können – das ist eine Kunst. Oder nehmen wir das Schreiben, das ist eine Kompetenz, die man lange lernen muss. Die ganze Bloggerbewegung denkt, man müsse doch nur im Netz etwas schreiben, und wird dann gelesen. Aber was Blogger schreiben ist eben größtenteils nicht so gut, und wird daher auch nicht gelesen. Alle diese Qualitäten werden von der Gesellschaft leider als nebensächlich angesehen.